Christoph von Dohnányi (Foto: zvg)

Zum Tod von Christoph von Dohnányi

Der Dirigent ist kurz vor seinem 96. Geburtstag gestorben.

Seinen ersten Auftritt mit dem Tonhalle-Orchester Zürich hatte Christoph von Dohnányi 1976, seinen letzten 2019 in der Tonhalle Maag: Während 43 Jahren war der deutsche Dirigent ein hoch willkommener Gast in Zürich. Auffallend oft kombinierte er dabei Klassiker mit neueren Werken: Bruckner mit Schönberg, Beethoven mit Birtwistle, Mozart mit Schnittke.

Diese Mischung war typisch für ihn, wie Ilona Schmiel, Intendantin der Tonhalle-Gesellschaft Zürich, betont: «Persönlich lernte ich Christoph von Dohnányi erst in den 2000er-Jahren kennen, und ich war fasziniert von seiner Auseinandersetzung mit Repertoire der letzten Jahrhunderte in einer ständigen und selbstverständlichen Balance mit zeitgenössischen Werken. Ebenso interessierte ihn immer die gesamte Klassikbranche. Er kämpfte kontinuierlich und leidenschaftlich für ‹mehr Kultur› und scheute keine politische Debatte in diesem Kontext.»

Besonders heftige Debatten gab es in Hamburg, wo Christoph von Dohnányi von 1977 bis 1984 Generalmusikdirektor der Staatsoper war. Er holte junge, vom Schauspiel her kommende Regisseure wie Achim Freyer, Luc Bondy oder Jürgen Flimm ans Haus, was zu ständigen Auseinandersetzungen mit dem Betriebsrat und schliesslich zu seinem Rücktritt führte. Später setzte er seine künstlerischen Überzeugungen unter anderem als langjähriger Chefdirigent des Cleveland Orchestra und als gefragter Gastdirigent in zahlreichen renommierten Opern- und Konzerthäusern fort.

Dabei verstand er sich stets als Partner der Orchester: «Für mich gibt es überhaupt keinen schöneren Moment, als wenn mir Musiker etwas anbieten und wenn so eine wechselseitige Beziehung entsteht», sagte er 1996 im Gespräch mit dem «Tages-Anzeiger». «Vielleicht war es gar nicht das, was ich vorhatte – aber plötzlich kommt etwas, das ich gerne mag. Glauben Sie mir: nicht Schöneres für einen Dirigenten, als die Hände wegzunehmen und spielen lassen! Man muss ein Orchester so gut trainieren, dass die Musiker selbständig werden.»

Begeistert von der Tonhalle Maag

Wie sehr er sich nicht nur für die Orchester, sondern auch für ihr Umfeld interessierte, zeigte sich auch bei seinem letzten Zürcher Auftritt in der Tonhalle Maag im November 2019. In Schuberts Sinfonie Nr. 8, so erinnert sich Ilona Schmiel, «zeigte er sein grosses Können, intensiv mit unserem Orchester zu arbeiten und sich zugleich auf dessen Historie und Interpretationskultur einzulassen. Seine Frage nach der ersten Probe war: ‹Was passiert danach mit dieser Interimsspielstätte? Ihr müsst sie erhalten, denn sie ist perfekt für zeitgenössische Werke und für neue Formate mit unkompliziertem Zugang für alle!› Recht hatte er. Leider kam die Pandemie, und danach wurde erst einmal vieles anders.»

Christoph von Dohnányi war kein exzentrischer Interpret, keiner, der die Werke gegen den Strich gebürstet hätte; das «exzessive Ausdruckswühlen» sei ihm fremd gewesen, hiess es im Nachruf in der NZZ. Es ging ihm um eine stimmige Balance, um die unprätentiöse, aber zutiefst empfundene Annäherung an eine Tonsprache. Gerade mit dieser Art wurde er – als Dirigent wie auch als kulturpolitisch engagierter Gesprächspartner – zu einer Stimme, die fehlen wird.

veröffentlicht: 08.09.2025

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