Alfred Brendel (Foto: Philips Benjamin Ealovega)
Zum Tod von Alfred Brendel

Abschied von einem grossen Pianisten

Das Tonhalle-Orchester Zürich begleitete einst seine letzte Tournee.

Susanne Kübler

Mit einer Bach-Zugabe beendete Alfred Brendel im Oktober 2008 seine letzte Tournee. Das Konzert fand im Amsterdamer Concertgebouw statt, und vor der Zugabe hatte er Mozarts «Jeunehomme»-Konzert gespielt – begleitet vom Tonhalle-Orchester Zürich unter der Leitung von David Zinman.

Brendel hätte zweifellos jedes Orchester der Welt für seine Abschiedstournee gewinnen können. Aber er wünschte sich die Zürcher: wegen David Zinman, den er schon lange kannte und schätzte; und weil er wusste, wie anpassungsfähig und flexibel dieses Orchester ist. Man hörte es auch als Begleiterin der Tournee: Bei der ersten Probe in der akustisch heiklen Pariser Salle Pleyel etwa bat der Pianist um ein weicheres, kantableres Spiel der Geigen, «sonst schluckt dieser Saal alles weg». Weich und kantabel war dann auch die Aufführung.

Alfred Brendel war damals 77 Jahre alt, und die Musikwelt reagierte bestürzt auf seinen unerwarteten Rücktritt von der Bühne. Gleichzeitig imponierte vielen die Konsequenz, mit der er ihn durchzog: «Sein Entscheid, zu einem frühen Datum seine Musikerkarriere zu beenden, hat mich ebenso beeindruckt wie sein unbedingter Ausdruckswille, seine ganz eigenen Klangvorstellungen und sein unvergleichlicher Humor», sagt Ilona Schmiel, Intendantin der Tonhalle-Gesellschaft Zürich.

«Nicht schnell zufrieden»

Auch in Sachen Repertoire hatte der Österreicher Alfred Brendel, geboren 1931 im tschechischen Wiesenberg und aufgewachsen als Sohn eines Kinobetreiber-Paars in Zagreb, stets eine klare Linie verfolgt. Im Zentrum standen für ihn die grossen Werke der klassischen und romantischen Klavierliteratur, die er immer und immer wieder spielte – weil er «nicht schnell zufrieden» war, wie er einmal sagte.

Was das bedeutete, war ab 1962 auch in der Tonhalle Zürich zu erleben. Seinen ersten Auftritt hier, der im Archiv noch handschriftlich dokumentiert wurde, hatte Alfred Brendel unter der Leitung von Hans Rosbaud. Danach folgten sehr sporadische Konzerte, bis 1996 dann die regelmässige Zusammenarbeit mit David Zinman begann.

In den Orchesterkonzerten spielte Brendel mit einer Liszt-Ausnahme ausschliesslich Werke von Beethoven und Mozart, in Rezitalen widmete er sich auch Haydn und Schumann, Schubert und erneut Liszt. In den Rezensionen wurde immer wieder sein zunehmend gelöstes, natürliches, innig empfundenes Spiel gerühmt: Er war kein Showman, sondern ein Musiker, der seine ganze Kunst darauf ausrichtete, den Intentionen der Komponisten nahe und immer näher zu kommen.

Das tat er auch in zahlreichen brillant geschriebenen Essays – denn Brendel war nicht nur ein Tasten- sondern auch ein Sprachkünstler. Nach seinem Rücktritt von der Bühne wurde er nicht nur zum gefragten Dozenten, sondern auch zum Dichter: Seine witzig-verschrobenen Gedichte über Musiker, sich selbst und die Kunst an sich haben einen ebenso unverkennbaren Tonfall wie einst seine Interpretationen am Klavier.

Nun ist Alfred Brendel 94-jährig in London gestorben. Es bleiben zahlreiche Aufnahmen und Texte – und Erinnerungen an einen grossen Künstler.

veröffentlicht: 18.06.2025

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