
Das war unser Gastspiel in Bukarest
Was hat Paavo Järvi vom Hocker gerissen? Wie fanden unsere Instrumente den Weg in die Sala Palatului? Eindrücke vom George Enescu International Festival.
Vom 1. bis 4. September waren wir Teil des George Enescu International Festival in Bukarest und haben in der Sala Palatalui gespielt. Im Gepäck hatten wir Werke von Enescu, Schostakowitsch, Rachmaninow und Mahler. Und nach Hause gebracht haben wir viele Eindrücke.
Abseits der Bühne: Die Hinreise
Ein Flieger von Air Baltic brachte uns am 1. September pünktlich nach Bukarest. Das mickrige Wasserfläschchen, das wir auf dem Flug erhalten haben, schien nicht im Verhältnis zu stehen mit dem zweistündigen Flug, der zeitweise von Turbulenzen begleitet wurde.
Das wurde aber sofort wieder ausgeglichen durch ein üppiges, traditionell rumänisches Abendessen, das wir im Restaurant Zexe einnahmen – organisiert von unserem 2. Konzertmeister George Cosmin Banica. Drei lange Banketttische mit je ungefähr zwanzig Personen – das Orchester, das Management und Paavo Järvi mit seiner Assistant Conductor Julia Kurzydlak – fanden dort Platz. Offenbar liebt man in Rumänien Kartoffeln genauso wie in der Schweiz. Kartoffelschnitze, Kartoffelstock wurde aufgetischt – dazu gab es verschiedene Häppchen aus Fleisch und Fisch und noch mehr Fleisch.
Auch in Sachen Musik ging es traditionell rumänisch zu und her: Im Zentrum der Live-Band war eine fröhliche und sehr virtuose Handorgel, deren Lautstärke den gesamten Raum fast zum Explodieren brachte. Paavo Järvi war so angetan von dieser lebensfrohen Musik, dass er von seinem Platz aufstand und begeistert nach vorne zur Band ging, um mit seiner Handykamera einige dieser Momente festzuhalten. Ebenso gab es spontane Tanzeinlagen von unseren Musiker*innen und durchgehend zujubelnde Rufe für die Live-Band. Kurz gesagt: Ein Knaller, dieser erste Abend in Bukarest.
Auf der Bühne
Seit unserem letzten Auftritt vor zwei Jahren im Sala Palatalui wurden einige akustische Verbesserungen vorgenommen. Intendantin Ilona Schmiel deutet auf die neu eingebauten Konzertmuscheln, die an den beiden Seitenwänden angebracht sind. Zusammen mit der Reduktion der Sitzplätze – 3000 statt 4000 – und dem hellen Bühnenboden, bewirke das eine «durchdringendere und klarere Akustik».
Der Saal sei wir ein Teddybär, der einen umarmt, meinte Assistant Conductor Julia Kurzydlak in der Pause der Probe mit Alisa Weilerstein. Der Vergleich kommt einerseits daher, weil der Saal in einem braun-gelben Ton daherkommt. Heute würde man sich bestimmt nicht mehr für eine solche Farbpalette entscheiden. Andererseits fühlten sich die Sitze zusammen mit dem Spannteppich wirklich wie ein riesiger Teddybär an. Die Luft war heiss und stickig. Kein Wunder, fächelten sich einige Gäste Luft mit ihrem Fächer zu. Der von echten Blumen gesäumte Bühnenrand konnte diesem Geruch leider auch nicht viel entgegensetzen. Doch die blau-violette Farbe der Blumen war gut abgestimmt mit den Farben des Festivals.
Für die Live-Übertragung wurde ein riesiger Kamera-Schwenkarm eingesetzt. Er war auf einem der Balkone auf der linken Seite stationiert. Während Enescus Prélude zur Oper «Œdipe» am ersten Konzertabend fielen einem die grossen Kameras – auch auf der Bühne waren einige – noch auf, doch danach vergass man sie bald.
Hinter der Bühne
Direkt nach den Konzerten am 2. und 3. September tauschten sich unsere Musiker*innen, das Management und Mitwirkende des Festivals angeregt aus. Die Korridore waren viel zu schmal für die vielen Personen, die sich dort tummelten. Besonders beliebt war der Ort direkt vor dem Wasserautomaten. Denn: Im Saal war es heiss und stickig – trinken hilft. Und oft mussten grössere Instrumentenkoffer kurzerhand als Pseudo-Umkleidekabinen dienen.
Kommentare auf Instagram zu den beiden Konzertabenden liessen nicht lange auf sich warten: Etwa «The Festival reaches new heights!», oder: «Yes, tere was crying», oder: «Real reason for visiting Bucharest: Mahler 2. Symphony. Just … incredible.»
Besonders nach Mahlers 2. Sinfonie bildete sich ein dichter Kreis um Paavo Järvi – Fans mit Blumen und offenen Autogramm-Büchern standen bereit und probierten ihr Glück, manchmal lag auch ein Foto mit unserem Music Director drin. Parallel dazu begannen unsere Bühnentechniker bereits mit dem Einpacken der Instrumente. Der 40-Tönner stand unten schon bereit und wartete auf die Beladung. Den Anfang machten die Kontrabässe. Zurück in ihren riesigen Kisten, wurden sie mit einem speziellen Lift, der bündig zur äusseren Hauswand stand, bis ins Erdgeschoss transportiert. Wenn man nicht wusste, dass unten ein Lift wartete, hätte man meinen können, die Instrumente flögen aus dem Fenster – doch es verlief alles glatt. Sechzig Kubikmeter Instrumentenkisten fanden so den Weg in den Lastwagen.
Abseits der Bühne: Die Heimreise
Der Rückweg am 4. September verlief nicht ganz so problemfrei wie die Hinreise. Es stellte sich heraus, dass die reservierten Gruppenschaltern gar nicht geöffnet waren. Fazit: das Check-In dauerte so viel länger für alle. Und schlussendlich landeten wir in Zürich mit fast zwei Stunden Verspätung. Grund dafür waren Gewitterwarnungen in Zürich. Und spätestens beim Anblick des strömenden Regens, der an den Kabinenfenstern hinuntergoss, war man sich sicher: Wir sind wieder in Zürich.
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Das Gastspiel wurde unterstützt von Merbag.