Augustin Hadelich (Foto: Suxian Yang)
Augustin Hadelich

Die Kunst liegt im Detail

Augustin Hadelich widmet sich nicht nur im Notentext jedem einzelnen Ton. Auch der Historie eines Werks geht er genau nach, sodass im Moment des Auftritts nur noch die Musik existiert.

Viviane Nora Brodmann

Der Blick, den Augustin Hadelich seiner Violine beim Spielen schenkt, ist einmalig. Erlebbar wird das besonders dann, wenn einer Kamera eine Nahaufnahme von Musiker und Instrument gelingt: Sogar durch den Bildschirm hindurch ist diese berührende und zerbrechliche Spannung spürbar, die entsteht, wenn er seiner eigenen Hand zuschaut, als gehörte sie nicht zu ihm, sondern vielmehr zum Instrument, aus dem die Töne strömen.

Ähnlich und auf doch ganz andere Weise nahbar zeigt sich der deutschamerikanische Violinist auch auf Social Media. Neben Ausschnitten aus seinen Auftritten ist er dort mit einem selbstständigen Format präsent, ohne Orchester und ohne direktes Publikum: «Ask Augustin» heisst die über 50-teilige Reihe, die seit dem Lockdown im Frühjahr 2020 entstanden ist. Darin stellt er sich den unterschiedlichsten technischen und musikalischen Fragen aus den sozialen Netzwerken, ermöglicht Einblicke in seinen Erfahrungsschatz und Werdegang – und gibt so sein Wissen weiter.

Tanz der Stimmen

Dieses breite und vielschichtige Wissen wird auch greifbar, wenn Hadelich von Johannes Brahms’ Violinkonzert erzählt, das er in Zürich präsentieren wird. Das darin notwendige Zusammenspiel aller Beteiligten beschreibt er als Herausforderung: «Bei diesem Werk ist die Violine eine Protagonistin, die ihre Rolle im Dialog, in der Auseinandersetzung und im Tanz mit anderen Stimmen definiert. Geiger, Dirigent und Orchester müssen wie Kammermusiker miteinander kommunizieren, damit eine überzeugende Interpretation entstehen kann.»

Dabei interessiert ihn aber nicht bloss das fertig komponierte Werk, sondern genauso der Entstehungsprozess: «Es ist faszinierend, den Briefwechsel zwischen Brahms und dem Geiger Joseph Joachim, für den das Konzert geschrieben wurde, zu lesen. Als ich das Manuskript sah, das sie einander hin- und herschickten, mit jeder Revision in einer anderen Tintenfarbe, kam es mir fast so vor, als würde ich bei ihren Diskussionen über das Stück lauschen!»

Die heute meistens zu hörende Kadenz ging schlussendlich aus diesem Austausch hervor: Sie stammt von Joseph Joachim selbst, und auch Hadelich übernahm sie zunächst. Als sie sich für ihn irgendwann ausgespielt hatte und ihm die «eigenwillige Kadenz von Fritz Kreisler» ebenfalls nicht mehr zusagte, stellte er sich der anspruchsvollen Aufgabe, «im Stil von Brahms eine Kadenz zu schreiben, die in die perfekte Architektur dieses grossen ersten Satzes hineinpasst».

Singende Momentaufnahmen

Selbstverständlich gehört die intensive Auseinandersetzung mit den Werken zum Berufsprofil professioneller Solist*innen. Augustin Hadelich beschreibt sich aber sogar als «sehr detailversessen» und ist der Auffassung, dass sich die Aufmerksamkeit kleinen Stellen gegenüber zu einem enormen Klangunterschied grösserer Passagen akkumulieren kann. Neben der akribischen Auseinandersetzung mit Einzelheiten ist ihm besonders eines wichtig: das «gesangliche Element des Klangs», denn er möchte versuchen, zusammen mit seinem Instrument «so natürlich wie möglich zu singen».

Es überrascht daher kaum, dass er bei seinem eigenen musikalischen Ausdruck sein Ohrenmerk daraufsetzt, «so zu spielen, wie ich die Musik hören will». Ebenso selbstverständlich erscheint es dann, wenn er während des Konzerts das Publikum kaum noch wahrnimmt und stattdessen dem Orchester und seiner Violine ganz genau zuhört und jene innigen Momente entstehen lässt, die im Saal spür- und sichtbar werden.

Mai 2025
Mi 14. Mai
19.30 Uhr

Cristian Măcelaru & Augustin Hadelich

Tonhalle-Orchester Zürich, Cristian Măcelaru Leitung, Augustin Hadelich Violine Brahms, Bartók
Do 15. Mai
19.30 Uhr

Cristian Măcelaru & Augustin Hadelich

Tonhalle-Orchester Zürich, Cristian Măcelaru Leitung, Augustin Hadelich Violine Brahms, Bartók
veröffentlicht: 05.05.2025

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